John Corey Whaley: Hochgradig unlogisches Verhalten

Leselevel: ♦♦♦♦♦
Wissenssteigerung: ♦♦♦◊◊
Humor: ♦♦♦♦♦
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦
Zielgruppe: ab 13 Jahren

272 Seiten, TB um € 9,95

Themen: Freundschaft, Panikattacken, psychische Probleme, Agoraphobie, Angststörung, Liebe, Familie

Der 16-jährige Solomon Reed hat sein Zuhause seit über 3 Jahren nicht verlassen, denn er leidet an Panikattacken und Agoraphobie. Als seine ehemalige Mitschülerin Lisa ein Studienobjekt für einen Psychologieaufsatz braucht, drängt sie sich zusammen mit ihrem Freund Clark in Solomons ruhiges, schön kontrolliertes Leben. Sie werden zu einem eingeschworenen Trio, bis eine eifersüchtige Freundin Gerüchte sät: Hat sich Solomon in Clark verliebt?

John Corey Whaley (*1984) wuchs in Louisiana (USA) auf, besuchte dort das College und arbeitete fünf Jahre lang als Englischlehrer, bevor er Vollzeitautor wurde. 2014 erschien sein Debüt Hier könnte das Ende der Welt sein, das u. a. mit dem Michael L. Printz Award ausgezeichnet wurde. 2015 folgte Das zweite Leben des Trevis Coates, das sich unter den Finalisten für den National Book Award befand. Auch diese beiden Bücher wurden übrigens von Andreas Jandl übersetzt (hurra!). John Corey Whaley lebt in Südkalifornien.

Hochgradig unlogisches Verhalten ist Whaleys dritter Roman: Ein großartiges, tiefsinniges und humorvolles Buch für Jugendliche und Erwachsene, fein aus dem Englischen übersetzt von Andreas Jandl!

Ich danke dem Verlag dtv sehr herzlich für das Rezensionsexemplar!

John Corey Whaley. Hochgradig unlogisches Verhalten. München: dtv Reihe Hanser, 2019. Übersetzt von Andreas Jandl. Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel Highly Illogical Behavior.

Shaun Tan: Zikade

Leselevel: ♦♦◊◊◊
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦♦
Humor: ♦♦◊◊◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦

Zielgruppe: Erwachsene und Teenager ab 12 Jahren

32 Seiten, gebundene Ausgabe um € 17

Themen: Büroarbeit, moderne Arbeitswelt, Gefühlskälte, Mobbing, Migranten, Migration, Zugehörigkeit, Demütigung

Der berühmte australische Illustrator, Autor und Oscar-prämierte Filmemacher Shaun Tan beschäftigt sich in seinem neuen Bilderbuch Zikade erneut mit Zugehörigkeit und Migration. Seine ergreifende Graphic Novel Ein neues Land ist vielen von Euch sicher ein Begriff.

Zikade ist ein bildgewaltiges Meisterwerk rund um den eingewanderten Büroangestellten Zikade, der trotz fleißigen Bemühens und korrekter Arbeit stets gedemütigt wird. Ein letzter Mobbingakt bei Rentenantritt treibt ihn auf das Dach des Bürohochhauses; er blickt in den Abgrund. Gebannt blättert man um und rechnet mit dem Schlimmsten, doch die steingraue Hülle der Zikade spaltet sich und eine orange-rote Zikade fliegt gen Himmel: „Alle Zikaden fliegen zurück in den Wald. Denken manchmal an die Menschen. Müssen dann lachen. Tack Tack Tack!“

Eike Schönfeld hat dieses Bilderbuch grandios übersetzt. Sein großer Verdienst liegt darin, die Geschichte in einfacher und dennoch poetischer Sprache auszudrücken, und zwar nicht auf Hochdeutsch, sondern in gebrochenem „Migrantendeutsch“, das nur allzu leicht in vorurteilsgeladene, dem Lächerlichen preisgegebene Sprache hätte abdriften können.

Dass Shaun Tan ursprünglich aus der Science-Fiction-Ecke kommt, merkt man seinem dystopischen Bilderbuch durchaus an. Die Illustrationen in _Zikade_ lassen einen an Gregor Samsa (aus Franz Kafkas „Die Verwandlung“) und „Bartleby der Schreiber“ (von Herman Melville) denken. Auch Zikade ist verzweifelt, fühlte sich fremd inmitten der anderen Büromenschen, ausgeschlossen. Die erbarmungslose Gefühlskälte der Bürowelt wird durch das dominante Grau der Bilder betont. Steingraue Mauern allerorten, bis sich die feurige Zikade von ihrer grauen Hülle löst und losfliegt, zusammen mit unzähligen anderen Zikaden, in den grün-orangen, paradiesischen Wald. Shaun Tan hat sich übrigens für diese Bilder eine Skulptur mit beweglichen Gliedern gebaut, die er dann bewegte und fotografierte. Erst danach begann er mit dem Malen, wie der Guardian hier berichtet.

Dieses Bilderbuch liest sich wie ein Gedicht, und am Ende des Buches wird auch ein Gedicht von Matsuo Bashō zitiert: „Stille… / das Sirren der Zikaden sickert ein / in den Fels“. Im Buch wird der umgekehrte Prozess beschrieben: Die Zikade löst sich aus der felsgrauen Stille des Bürokomplexes und fliegt surrend zurück in den Wald. Ein faszinierendes, beeindruckendes und bewegendes Werk!

Shaun Tan wurde 1974 im australischen Fremantle geboren. Seine Familie stammt aus Malaysia. Er ist Illustrator und Schriftsteller, arbeitete unter anderem mit an den Trickfilmen Horton hört ein Hu! und WALL E – Der Letzte räumt die Erde auf (beide 2008). 2009 erhielt er für seine Graphic Novel Ein neues Land den Deutschen Jugendliteraturpreis, 2010 für seinen Kurzfilm Die Fundsache den Oscar, 2011 zeichnete man ihn mit dem Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis aus. Die Liste seiner Auszeichnungen scheint endlos.

Ich danke dem Aladin Verlag und Henrike Blum sehr herzlich für das Rezensionsexemplar!

Shaun Tan: Zikade. Stuttgart: Aladin im Thienemann-Esslinger Verlag, 2019. Übersetzt von Eike Schönfeld.

Michael Ende: Die Unendliche Geschichte

Leselevel: ♦♦♦♦♦
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦♦
Humor: ♦♦♦◊◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦
Zielgruppe: ab 12 Jahren

416 Seiten, € 35 (Schmuckausgabe von Sebastian Meschenmoser illustriert)
480 Seiten, € 20 (normale gebundene Ausgabe mit Cover von Eva Schöffmann-Davidov)

Themen: Fantasie, Freundschaft, Abenteuer, Mut, der eigene Wille, Buchwelt, Rettung, Mobbing, dick sein, Fantasy-Epos, High Fantasy

Die Unendliche Geschichte von Michael Ende ist ein Kultbuch aus dem Jahr 1979. Titelheld Bastian Balthasar Bux befindet sich in der Krise: die Mutter des dicken Jungen ist verstorben, sein Vater depressiv, die Schulkollegen mobben ihn. Als er auf das Buch Die Unendliche Geschichte stößt, packt er es bzw. es ihn, und er versinkt im vom Untergang bedrohten Reich Phantásien. Es gelingt Bastian, die Welt der Kindlichen Kaiserin zu retten. Doch langsam schwindet die Erinnerung an sein echtes Leben, und nur mithilfe seiner Freunde Atréju und Fuchur kann er seinen wahren Willen erkennen und zu seinem Vater zurückzukehren.  

Der Autor hat in diesem Roman seiner Fantasie freien Lauf gelassen, und beim Lesen kann man über seine Einfälle, z.B. das Änderhaus, nur staunen: „Manchmal macht das Änderhaus auch einfach bloß Spaß mit einem, dann sind auf einmal alle Zimmer umgekehrt, der Boden oben und die Decke unten oder dergleichen. Aber das ist reiner Übermut und es wird auch gleich wieder vernünftig, wenn ich ihm ins Gewissen rede“ (432).

Michael Ende ermutigt die LeserInnen, sich ihrer Fantasie hinzugeben und dann bestärkt in die wirkliche Welt zurückzukehren: „Es gibt Menschen, die können nie nach Phantásien kommen, und es gibt Menschen, die können es, aber sie bleiben für immer dort. Und dann gibt es noch einige, die gehen nach Phantásien und kehren wieder zurück. So wie du, Bastian. Und sie machen beide Welten gesund.“

Der Autor des vor 40 Jahren erschienenen, in 41 Sprachen übersetzten Bestsellers wäre heuer 90 Jahre alt geworden: Er wurde am 12.11.1929 als Sohn des surrealistischen Malers Edgar Ende geboren. Michael Ende (1929-1995) war einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller. Neben Kinder- und Jugendbüchern verfasste er auch poetische Bilderbuchtexte, Bücher für Erwachsene und Theaterstücke sowie Gedichte.

Zum doppelten Jubiläum hat der Thienemann-Esslinger Verlag eine atemberaubend schöne, von Sebastian Meschenmoser illustrierte, großformatige Schmuckausgabe herausgebracht. Die Ölbilder und Zeichnungen sind der faszinierenden Geschichte absolut ebenbürtig und werden Kinder wie Erwachsene zum Lesen des umfangreichen Buches anspornen. Auch die „normale“ Ausgabe ist wunderschön gestaltet (großartiger Buchumschlag mit Goldprägung von Eva Schöffmann-Davidov) und zum Lesen im Bett aufgrund des kleineren Formats besser geeignet. In beiden Ausgaben ist der Text, wie in der Erstausgabe, rot und grün gesetzt. Das hilft dabei, die reale und die fantastische Welt auseinanderzuhalten.

Der Roman sei „ein Kinderbuch, auch für Erwachsene. Ein Erwachsenen-Buch, auch für Kinder“, schreibt die Berliner Morgenpost (zitiert auf dem Buchumschlag): Genau so ist es! Und was alle begeistert und sich über 9 Millionen Mal verkauft, das wird natürlich auch verfilmt, und zwar von Wolfgang Petersen im Jahr 1984 (Michael Ende war gar nicht begeistert davon). Das Buch Die Unendliche Geschichte erhielt zahlreiche nationale und internationale Preise, darunter den „Europäischen Jugendbuchpreis“ und den „Buxtehuder Bullen“. Ich empfehle es allen ab 12 Jahren!

Dankeschön an den Thienemann-Esslinger Verlag und Henrike Blum für das Rezensionsexemplar!

Michael Ende. Die Unendliche Geschichte. Stuttgart: Thienemann-Esslinger Verlag, 2019.

Pierdomenico Baccalario und Federico Taddia: 50 kleine Revolutionen

Leselevel: ♦♦♦♦◊
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦♦
Humor: ♦♦♦◊◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦
Zielgruppe: Jungs und Mädchen von 10 – 15 Jahren
192 Seiten, TB um € 12,95

Themen: Umweltschutz, Klimawandel, Wiederverwertung, Recycling, Tipps, Ratschläge, Weltverbessern, Ideen, Zwischenmenschliches

Pierdomenico Baccalario und Federico Taddia zeigen allen ab 10 Jahren im Buch 50 kleine Revolutionen, mit denen du die Welt (ein bisschen) schöner machst, wie man unseren Planeten retten kann und die Welt zu einem besseren Ort wird #fridaysforfuture.

50 „Revolutionen“?? Hört sich zunächst mal etwas hochgegriffen an… Die super Tipps umfassen zwar Fleisch-, Strom- und Plastikfasten, IT-Unterstützung für ältere Leute und Gendergrenzenabmontieren, aber unter einer Revolution stellt man sich doch etwas Großes, Weltbewegendes vor. Tja, es ist doch so: mit einem kleinen Steinwurf beginnt‘s, und dann rollt ’ne Lawine los. Jawohl!

Ich finde besonders schön, dass die Tipps nicht nur auf Umweltschutz abzielen („Tausche Bücher und Comics“, „Verbringe einen Tag ohne elektrisches Licht“,…), sondern auch zwischenmenschliche Verbesserungsvorschläge beinhalten („Befreunde dich mit gleich vielen Jungen wie Mädchen“, „Mache ein paar Selfies mit alten Leuten“,…) und Tipps für die eigene Persönlichkeit („Überwinde einer deiner Ängste“, „Führe einen Tag des Lächelns ein“,…). Die 50 Impulse verbessern also nach und nach das eigene Leben, das soziale Leben und das Leben mit der Natur. So gesehen wird es dann wirklich was mit der Revolution!

Das Buch wurde übrigens von Sophia Marzolff aus dem Italienischen übersetzt und ist gerade im dtv junior Verlag erschienen. Ramona Wultschner hat das süße Rettet-den-Planeten-Cover gemacht , AntonGionata Ferrari die coolen Illustrationen im Buchinneren. Eventuell könnte das kindliche Cover die Teens abschrecken, aber zwischen den Buchdeckeln steckt dafür eine waschechte Revolution!!

Ich bedanke mich sehr herzlich beim dtv junior Verlag für das Rezensionsexemplar!

Andreas Steinhöfel: Die Mitte der Welt

Leselevel: ♦♦♦♦♦
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦◊
Humor: ♦♦♦♦◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦

Zielgruppe: ab 14 Jahren
480 Seiten, Taschenbuch um € 9,99


Themen: Erwachsenwerden, zu sich selbst finden, Familie, Freundschaft, Bücher, Kindheit, Abenteuer, Liebe, verliebt sein, Homosexualität, Vielfalt, Offenheit

Dieses geniale Buch empfehle ich Jugendlichen genauso wie Erwachsenen: Die Geschichte rund um den 17-jährigen Phil und seine unkonventionelle Familien- und Freundesschar ist sehr bewegend und spannend, und der einzigartige Sprachstil des Autors Andreas Steinhöfel ist bezaubernd, tiefgründig und humorvoll. 1998 erstveröffentlicht, ist Die Mitte der Welt bereits zum Klassiker avanciert, wurde 2016 erfolgreich verfilmt (Regie: Jakob M. Erwa) und ist auch auf Theaterbühnen zu sehen, zum Beispiel ab 2. April 2020 im Salzburger Landestheater (in einer Inszenierung von Marco Dott).

Phil und seine Zwillingsschwester Dianne leben mit ihrer alleinerziehenden, exzentrischen Mutter Glass in der schlossartigen Villa „Visible“, etwas abseits einer Kleinstadt. Dort blicken die „Kleinen Leute“ auf den Männerverschleiß von Glass herab, nennen sie eine „Hure“, und auch ihre Kinder werden ausgegrenzt und ecken an. Als sich die Liebe in Phil und Diannes Leben schleicht, nimmt das Unheil seinen Lauf, bis… ja, bis Phil sich, gestärkt von seiner liebevollen Familie, ins Leben schmeißt und alles erst so richtig beginnt.

Was für ein wundervoller Coming-of-Age-Roman, ein herausragendes Jugendbuch voller Lebensweisheit und Sprachschönheit – und Intertextualität: Wie der Autor im Nachwort erklärt (auf den Seiten 469-470 und 476), schöpfte er für Die Mitte der Welt aus dem Fundus der griechischen Mythologie. Z.B. sind das Zwillingspaar Phil und Dianne an Apollon und Artemis angelehnt, die Figur der Glass an deren flüchtende Mutter Latona, die die Zwillinge auf der Insel Delos gebar (das griechische Wort delos heißt „sichtbar“, engl. visible). Extrem genial, oder?

Ich bin ohnehin ein großer Fan von Andreas Steinhöfel. Warum? 1.) Scheint er ein netter Mensch zu sein (habe ihn mal am Flughafen getroffen). 2.) Ist er auch Übersetzer (habe ihn mal bei einer ÜbersetzerInnen-Konferenz getroffen). 3.) Sind seine Bücher göttlich (hier meine Empfehlung von Rico, Oskar und die Tieferschatten). 4.) Er ist der erste Kinder-und Jugendbuchautor, der Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung wurde. Also steckt unbedingt Eure Nasen in Bücher, auf denen Andreas Steinhöfel steht – sie werden Euch gefallen!

Andreas Steinhöfel. Die Mitte der Welt. Hamburg: Carlsen, 2004.

William Shakespeare und Lisbeth Zwerger: Romeo & Julia

Leselevel: ♦♦♦♦◊
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦♦
Humor: ♦♦◊◊◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦

Zielgruppe: meiner Einschätzung nach ab 8 Jahren, auch für erwachsene Verliebte und Shakespeare-Fans sehr zu empfehlen. Das vom Hersteller empfohlene Alter liegt bei 12 – 15 Jahren. Ich traue jüngeren LeserInnen die gehobene Sprache allerdings schon zu, insbesondere da durchwegs geläufige Wörter verwendet werden
48 Seiten, gebundene Ausgabe um € 19,95

Themen: Liebe, Feindschaft, Verona, Shakespeare-Drama für Kinder, Liebespaar

Romeo und Julia las ich zum ersten Mal als 17-Jährige (Shakespeares beliebtestes Drama war natürlich Schullektüre). Gott sei Dank hatte unsere Englischlehrerin Gnade mit uns und schaffte für uns Teenies eine zweisprachige Schulausgabe der Cambridge University Press mit Verständnishilfen an. Ich stand schon nach den ersten Seiten in Flammen und fand das Drama genial. Umso mehr freut es mich, dass Lisbeth Zwerger sich Shakespeares Romeo und Julia „vorgeknöpft“ hat und die herausfordernde Geschichte für Kinder nacherzählt und illustriert hat. Herausgekommen ist ein rundum gelungenes Meisterwerk, das ich Euch sehr ans Herz legen möchte.

Die Geschichte vom berühmtesten Liebespaar der Weltliteratur ist vielen Erwachsenen geläufig, wenn nicht von Shakespeares Theaterstück, dann zumindest von Leonard Bernsteins West Side Story oder Baz Luhrmanns cooler Verfilmung aus dem Jahr 1996. Lisbeth Zwerger macht diese Liebesgeschichte Kindern zugänglich, in einfachen Sätzen und doch in stimmig-gehobener Sprache. Ihre wunderschönen, feinen Illustrationen veranschaulichen zum einen die Handlung und Gefühlswelt der Figuren, zum anderen sind sie zauberhafte Kunstwerke, die diese Ausgabe von Romeo und Julia anderen überlegen machen. Als Sahnehäubchen hat Zwerger noch Shakespeares Originalstimme eingebaut und die berühmtesten Zitate bzw. wichtigsten Zeilen des Theaterstücks in den Text eingefügt. Was will man mehr?

Tja… also eigentlich will man noch, dass die Geschichte gut ausgeht und Romeo und Julia bis an ihr Lebensende glücklich zusammenleben. Ob Lisbeth Zwerger das möglich macht???

Wenn Ihr Eure Kinder an Shakespeares geniales Werk heranführen wollt bzw. den Kids die Romeo und Julia-Story vorstellen wollt, kann ich Euch dieses Buch nur empfehlen. Hier könnt Ihr mein Interview mit der großartigen Lisbeth Zwerger nachlesen.

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Verlag Michael Neugebauer (Minedition), von dem ich ein signiertes Rezensionsexemplar erhalten habe.

William Shakespeare. Romeo & Julia. Nacherzählt und illustriert von Lisbeth Zwerger. Bargteheide: Michael Neugebauer Edition (Minedition), 2016.

Lauren Oliver: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Zielgruppe: Jugendliche ab 14 Jahren
Kategorie: Jugendbuch, junge Literatur, Young Adult Roman
Themen: Teenager-Alltag, Liebe, Schule, Freundschaft, Tod, Familie, Party, Spaß

Leselevel: ♦♦♦♦♦
Wissenssteigerung:♦♦♦◊◊
Humor:♦♦♦♦◊
Spannung:♦♦♦♦♦
Gefühl:♦♦♦♦♦
Elternvergnügen:♦♦♦♦♦
447 Seiten, Taschenbuch, € 8,99

Lauren Olivers Erstlingswerk ist einfach mega und wurde nicht umsonst 2011 für den Deutschen Jugendbuchpreis nominiert. Teenies, die schon mit einer Gehirnhälfte (oder 2) an die Liebe und das Partymachen denken, werden begeistert sein. Aber, liebe Erwachsene, fürchtet Euch nicht! Das Buch führt vor Augen, worauf es im Leben wirklich ankommt!

Die 17-jährige Amerikanerin Samantha Kingston ist wie ihre drei Freundinnen eines der It-Girls ihrer Schule. In Kapitel 1 erlebt sie ihren letzten Lebenstag, einen Valentinstag, als hormongesteuerter Teenie mit großer Klappe. Ich war schockiert, dass so eine Tussi die Heldin dieses Romans sein soll. Allerdings erlebt Sam diesen Valentinstag insgesamt sieben Mal, und sie nützt diese Gelegenheiten, mal ernsthaft über ihr Verhalten, ihre Freundinnen, ihre Familie und ihren festen Freund nachzudenken. Wie in Und täglich grüßt das Murmeltier wird Sam geläutert und schließlich, in Kapitel 7,… Haha, das würd ich Euch doch nie verraten!!

Das Buch nimmt vor allem ab Kapitel 2 Fahrt auf, und man kann es bald nicht mehr weglegen. Nur auf den letzten Seiten sind die Formulierungen ab und an etwas seltsam („wenn Gesang ein Gefühl wäre, wäre es das, dieses Licht, dieses Schweben, wie Lachen“, Seite 445). Aber hey, bis Seite 442 wird man gefesselt von der überzeugenden Beschreibung des komplizierten Teenager-Lebens, den coolen Sprüchen der handelnden Personen („eine verdammte Nudel hat mehr Charakter als Phoebe“, Seite 353) und den witzigen Formulierungen (sie starrt mich an, „als hätte ich gerade verkündet, ich würde die Schule schmeißen, um Schlangenmensch im Zirkus zu werden“, Seite 326). Wie treffend Lauren Oliver das erste echte Verliebtsein beschreibt ist besonders toll.

Eine klare Leseempfehlung für alle Jungen und Junggebliebenen!

Im Harperteen-Interview vom 21.4.2010 erzählt Lauren Oliver, die im wirklichen Leben Laura Schechter Parker heißt, dass sie, seit sie 5 Jahre alt war, jeden Tag schreibe. Ihr Vater, der True-Crime-Autor Harold Schechter, sei ihr diesbezügliches Vorbild. Die Leute bewundern sie dafür, so Oliver weiter, dass sie schon mit 25 Jahren ihr erstes Buch veröffentlicht habe, aber für sie sei es tatsächlich ein langer, zwanzig Jahre dauernder Prozess gewesen. Übrigens bezeichnet sie sich selbst in diesem Interview als Nerd-Teenager, allerdings sei sie auch wild gewesen und auf Partys gegangen. BTW: Die Schwester der Autorin, Elizabeth Schechter, hat am 25.11.12 auf ihrer Facebook-Seite einen Schnappschuss gepostet, der zeigt, wie Barack Obama mit seinen Töchtern Bücher von Lauren Oliver kauft – yay!

Lauren Oliver. Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie. Übersetzt von Katharina Diestelmeier. Hamburg: Carlsen Verlag, 2013.

Hank Green: Ein wirklich erstaunliches Ding

Leselevel: ♦♦♦♦♦
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦◊
Humor: ♦♦♦♦◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦


Zielgruppe: ab 16 Jahren

444 Seiten, gebundene Ausgabe um € 22


Themen: Berühmtheit, Star, Social Media, Außerirdische, Regierung, Likes, Shitstorm, Nerds, Freundschaft

Wenn John Greens Bruder sein Debut als Romanautor gibt, muss ich dieses Buch natürlich lesen. So wie mir dürfte es vielen Leuten gehen, denn der Roman schaffte es immerhin auf Platz 1 der New York Times Bestsellerliste. Die große Frage lautet natürlich, ob Hanks Pageturner es mit den tiefgründigen Büchern seines Bruders aufnehmen kann.

Mein Antwort: Jein ;-). Das Buch ist großartig, die Geschichte fein konzipiert und unglaublich spannend!! Also extrem toll und unbedingt lesenswert, überhaupt für ein Romandebut! Im Vergleich zu John Greens Büchern, z.B. Das Schicksal ist ein mieser Verräter, fehlt es dem Buch etwas an emotionalem Tiefgang und beeindruckenden Lebenserkenntnissen. Man kann allerdings mit Fug und Recht behaupten, dass beide Brüder Meister des Storytelling sind: Man kann ihre Bücher nicht weglegen, sonder muss(!!) immerfort weiterlesen.

Was passiert nun in Ein wirklich erstaunliches Ding? Die 23-jährige April May und ihre bester Freund Andy drehen eines Nachts in Manhattan ein Video von einer beeindruckenden Roboter-Skulptur, die April May „Carl“ nennt. Sie veröffentlichen das Video auf YouTube und es geht viral. Als sich am nächsten Tag herausstellt, dass nun auf der ganzen Welt solche Carls stehen, wird die junge Frau zur Carl-Expertin. Andy und sie stellen weitere Videos online, betreiben Recherchen. Sie wird zum Star. Doch als sich herausstellt, dass die Carls Außerirdische sind, gerät April May in einen medialen Sog aus Likes und Shitstorm. Denn einige Menschen, die sich „die Defender“ nennen, befürchten, dass die Aliens den Menschen Böses wollen.

Das Hauptaugenmerk des Romans liegt nicht darauf, dass die Carls extraterrestrische Lebewesen sind. Ganz im Gegenteil: Green verfährt ziemlich locker damit, zum Beispiel schlagen sie ihre Feinde nicht zu Brei sondern verwandeln sie in Traubengelee. Vielmehr tritt der Konflikt zwischen den weltoffenen Bürgern und dem fremdenfeindlichen Lager in den Vordergrund.

Der Social Media Hype um April May ist auch ein Kernelement des Romans. April May kreiert eine Kunstfigur, legt sich ein mediales Alter Ego zu, für das sie sogar ihre sexuelle Orientierung leugnet. Sie ist bisexuell, doch damit könnten die Leute nichts anfangen, urteilt ihre PR-Beraterin, sie solle entweder oder sein. Die fehlende Moral im Medien-Business wird auch deutlich, als aufkommt, dass April Mays PR-Agentur … Sorry! Fast hätte ich gespoilert!!

April May, die Ich-Erzählerin des Romans, spricht in jugendlicher Sprache, erzählt die Vorkommnisse witzig, smart und unterhaltsam. Dass uns ihre jugendliche Sprache überzeugt, liegt an der tollen Übersetzung von Katarina Ganslandt. Ihre deutsche Version des Romans ist durch und durch gelungen.

Auch wenn Hank Greens Debut an John Greens wunderschöne Romane nicht ganz heranreicht, ist es ein absolut gelungener Page Turner! Ein spannender Erstlingsroman, der fein einfängt, wie der heutige Social Media-Zirkus tickt.

Seit 2007 betreibt Hank Green zusammen mit seinem Bruder John den YouTube-Kanal „Vlogbrothers“, dem heute 3.180.700 Abonnenten folgen (ja, über 3 Millionen, ich habe mich nicht vertippt!). Der studiert Biochemiker und Umweltwissenschaftler hat seine Schreibkarriere mit Buchkritiken gestartet – u.A. für die NY Times, wie er hier erzählt:

In diesem Video erklärt er auch, dass Buchkritiker Bücher hervorheben sollten, die sonst unbemerkt blieben. Das ist zwar beim Debutroman eines berühmten Influencers nicht wirklich der Fall, aber ich lege Euch dieses Buch definitiv ans Herz!

Hank Green. Ein wirklich erstaunliches Ding. München: bold (ein Imprint von dtv), 2019. Übersetzt von Katarina Ganslandt.

Lea Coplin: Nichts zu verlieren. Außer uns.

Leselevel: ♦♦♦♦◊
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦◊
Humor: ♦♦♦♦◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦

Zielgruppe: ab 14 Jahren

368 Seiten, Taschenbuch um € 10,95

Themen: Liebe, Freundschaft, Erwachsenwerden, Edinburgh, Reisen, Musik

 

Ich bin vor 20 Jahren mit einem riesigen Rucksack und zwei lieben Freundinnen durch Schottland gereist, und so etwas Ähnliches machen Max von Linden und Lina Stollberg auch. Als sie sich das erste Mal am Flughafen von Edinburgh treffen, fliegen die Fetzen, aber immer wieder laufen sie sich in der wunderschönen Stadt über den Weg. Schließlich fahren sie gemeinsam gen Norden, als touristische Zweckgemeinschaft sozusagen. Beide werden von familiären Problemen getrieben und könnten gegensätzlicher nicht sein: Er aus „gutem“ Elternhaus, vermögend, ein Strahlemann; sie die chaotische Straßenmusikerin, kratzbürstig und zickig. Doch sobald sie ihre Vorurteile ablegen und zaghafte Blicke hinter die Fassade des/der anderen wagen, kommen sie sich näher.

 

Bezaubernder, romantischer Roadtrip durch Schottland mit zwei Charaktertypen, die faszinieren. Lea Coplin* hat erneut eine fabelhafte Geschichte gesponnen, die nicht oberflächlichem Schmus nachjagt, sondern tief in die Gefühls- und Lebenswelt der Hauptfiguren eintaucht. _Nichts zu verlieren. Außer uns._ ist spannend, überzeugend und berührend. Unbedingt lesen und hier bis zum 23.12. um 23:59 einen Kommentar hinterlassen. Am 24.12. verlose ich das vom dtv-Verlag zur Verfügung gestellte Exemplar und dackle brav zum Postamt, damit die glückliche Gewinnerin oder der glückliche Gewinner dieses super YA-Buch noch in den Weihnachtsferien lesen kann, so wie ich es eigentlich geplant hatte. Aber, hey! Wer könnte diesem feinen, knallroten Band schon widerstehen?!?!!

*Informationen zum ersten Band von Lea Coplin gibt’s hier.
Und mein Interview mit der sympathischen Bestseller-Autorin Lea Coplin aka Anne Sanders könnt Ihr hier nachlesen.

Lea Coplin. Nichts zu verlieren. Außer uns. München: dtv, 2018.

Maggie Stiefvater: Rot wie das Meer

Leselevel: ♦♦♦♦♦
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦◊
Humor: ♦♦♦◊◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦
Zielgruppe: ab 14 Jahren
432 Seiten, wunderschöne gebundene Ausgabe um € 18,95
Themen: Freundschaft, Familie, Liebe, Pferde, Rennen, Capaill Uisce-Mythos, britische Inseln

Gleich vorweg: Diesen Jugendroman werden nicht nur PferdeliebhaberInnen genial finden! Maggie Stiefvater gelingt in diesem Band, den faszinierenden Capaill Uisce-Mythos von blutrünstigen Wasserpferden einzufangen, die spannende Geschichte eines Pferderennens zu erzählen, eine zarte Liebesgeschichte einzuflechten und die von vielen Schicksalsschlägen geprägten Lebenslinien der beiden Protagonisten (und Erzähler) Puck und Sean einfühlsam nachzuzeichnen – daher auch die 432 Seiten. Echt gewaltig!

Die britische Insel Thisby* wird alljährlich im Herbst von Capaill Uisce heimgesucht, monströsen, magischen Meerespferden, die unglaubliche Kräfte haben, aber auch blutrünstig sind. Nur den mutigsten Inselbewohnern gelingt es, die Wesen einzufangen, ohne dabei getötet zu werden. Sie treten am 1. November zum Skorpio-Rennen gegeneinander an. Sean Kendrick ist einer von ihnen, er hat das Rennen mit seinem Hengst Corr sogar schon viermal gewonnen. „Seinem“ stimmt leider nicht ganz, denn obwohl er für dieses Capaill Uisce sorgt, gehört es ihm genauso wenig wie das hohe Preisgeld. Puck Connolly braucht genau dieses: Wenn sie das Rennen nicht gewinnt, verliert sie ihr Zuhause. Doch kann ein Mädchen ein Capaill Uisce beherrschen? Was wird aus ihrem eigenen Pferd Dove? Das Rennen wird definitiv Menschenleben kosten und die Meereswellen rot färben.

*“Thisby“ ist eine von Shakespeare im Sommernachtstraum benutzte, falsche Schreibweise von „Thisbe“, dem weiblichen Teil eines babylonischen Romeo und Julia-Liebespaares. Dass Stiefvaters ihren Handlungsort so benannt hat, ließ mich schon von Beginn an an einem Happy End zweifeln.


Nicht nur dieser Roman, auch die Schriftstellerin ist faszinierend. 1981 in Virginia, USA, geboren, hieß sie ursprünglich mit Vornamen Heidi, änderte ihn aber mit 16 Jahren auf Margaret. Die New York Times-Bestsellerautorin ist Hobby-Rennfahrerin und schreibt auch Artikel für Rennsportmagazine. Ihre Young Adult-Romane, die teils als Folgen erschienen sind und teils als Einzelbände, haben unzählige Preise erhalten, Filmrechte wurden verkauft, die Presse feierte sie ab, kurz: Sie ist megaerfolgreich. Mit Mann und Kindern sowie Kühen, Pferden, Hunden, Ziegen und einer Katze lebt sie im Shenandoahtal in Virginia (in der lokalen indigenen Sprache heißt „Shenandoah“ übrigens Tochter der Sterne – na das passt ja perfekt!). Sie spielt mehrere Instrumente und ist auch Künstlerin. Schaut am besten auf ihrer Homepage vorbei, dort könnt ihr coole Pics der brillanten Frau sehen.

Maggie Stiefvater. Rot wie das Meer. Fein übersetzt von Sandra Knuffinke und Jessika Komina. Bindlach: Loewe Verlag (script5), 2012.