Lea Coplin: Nichts ist gut. Ohne dich.

Leselevel: ♦♦♦♦◊
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦◊
Humor: ♦♦♦♦◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen:♦♦♦♦♦

Zielgruppe: ab 14 Jahren

352 Seiten, TB um € 10,95

Themen: Liebe, Freundschaft, Familie, Unfalltod, München

Die Münchner Autorin „Lea Coplin“, die am gleichen Tag wie Jane Austen Geburtstag hat, hat 2018 dieses geniale Buch veröffentlicht. Seit der Geburt meiner Kinder habe ich aus den hinlänglich bekannten Gründen kein einziges Buch mehr auf einmal ausgelesen („in one sitting“, hätte Edgar Allan Poe gesagt), und gestern war es wieder soweit: Schlag 18 Uhr setzte ich mich hin und stürzte mich Hals über Kopf in _Nichts ist gut. Ohne dich._ Und als ich den letzten Satz fertiggelesen hatte, herrschte schon finsterste Nacht, mein Mann hatte die Kinder zu Bett gebracht und der Hund streckte sich genüsslich nach seinem Marathonschläfchen.

 Was für ein grandioses, gelungenes Buch! Der Plot ist vielschichtig und interessant, die Charaktere tiefgründig und faszinierend, die Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonisten Jana und Leander intensiv und ergreifend. Die Geschichte wird größtenteils abwechselnd aus seiner und ihrer Sicht erzählt, was spannende Einblicke gewährt.

Das Buch beginnt mit dem ersten, schockierenden Wiedersehen von Leander und Jana in der Jetztzeit. Als Kinder gut befreundet, riss ihre Verbindung sechs Jahre zuvor jäh ab, weil Janas Bruder in einem von Leander verursachten Autounfall starb. Nun müssen sich die beiden mit der schmerzlichen Vergangenheit auseinandersetzen und finden dabei mehr und mehr zueinander, was Jana in eine moralische Zwickmühle bringt (darf man den Mörder seines Bruders lieben?). Als Leanders Mutter an Krebs stirbt, gerät die zerbrechliche Liebe ins Wanken.

Jana und Leander stürzen die Leserschaft in eine emotionale Achterbahnfahrt. Steigt man am Ende aus, ist das Gehirn voller Speed und das Herz rast. Hier als kleine Leseprobe ein schönes Zitat von Leanders Mutter. Sie verspricht ihrem Sohn fünf Gründe, warum sein von Schuld geplagtes Leben lebenswert ist:

„Weil du noch nicht das getan hast, was du tun möchtest, ohne den Erwartungen anderer zu entsprechen. […] Weil du dir noch nicht erlaubt hast, glücklich zu sein. Weil du noch nie einem Mädchen ‚Ich liebe dich‘ gesagt und es aus tiefstem Herzen gemeint hast. Weil du noch nicht so geliebt wurdest, wie du es verdient hast. Weil du dir noch nicht selbst vergeben hast. Weil du noch nicht um das Mädchen gekämpft hast, das dir am wichtigsten ist. Weil du noch nicht der bist, der du sein willst. Weil jeder eine Aufgabe hat und du deine erst herausfinden musst. Weil das Schönste noch kommt, Leander.“

Für den Augenblick bin ich sprachlos. Dann habe ich das Gefühl, zu ersticken, was womöglich daran liegt, dass ich vergessen habe zu atmen. Ich sauge Luft ein, dann senke ich den Kopf und blinzle was auch immer da hinter meinen Lidern brennt in die Flucht.

„Das waren an die hundert Gründe“, sage ich schließlich.

„Du findest deine Top Fünf heraus.“ (Seite 151-152)

 

Natürlich habe ich immer wieder geheult wie ein Schlosshund und mich dann extrem gefreut, wenn Silberstreifen am Horizont dieser komplizierten Geschichte erschienen. Das Buch hat mich gebeutelt und mitgenommen. Was ich besonders herausragend an Lea Coplins Buch finde ist, dass die Autorin keinen Roman für Jugendliche als Zielgruppe geschrieben hat. Nein! Vielmehr weiß sie noch bis ins letzte Detail, wie es wirklich ist, jung zu sein und das Auf und Ab verworrener Familienbande und tiefgründiger Liebe zu erleben. Ein großer Lesegenuss! Und im September 2018 hat Lea Coplin Nichts zu verlieren. Außer uns. veröffentlicht, in dem es um Leanders Freund Max geht. Das ist sicher ebenfalls genial: Ich hebe es mir für die Weihnachtsfeiertage auf <3 !

 

 

Lea Coplin. Nichts ist gut. Ohne dich. München: dtv, 2018.

Michael Roher: Tintenblaue Kreise

Leselevel: ♦♦♦♦◊
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦◊
Humor: ♦♦♦◊◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦

Zielgruppe: ab 12 Jahren

184 Seiten, Taschenbuch um € 15,-

Themen: Freundschaft, Familie, Zusammenhalt, erste Liebe, Krankheit, Mobbing

 

In Michael Rohers Jugendroman Tintenblaue Kreise entfaltet sich die wundervolle Liebesgeschichte zwischen Biene und Philip. Während Biene eine liebevolle Familie, einen fürsorglichen Bekanntenkreis und die beste Freundin Shirin um sich hat, lebt Philip ein Eigenbrötlerleben zwischen geschiedenen Eltern. Als ein ihr bekanntes Kind mit dem Tod ringt, stellt sich Biene die Frage, wie es ist, wenn man stirbt. Philips Tante hatte eine Nahtoderfahrung, und so besucht Biene Philip. Der unglaublich talentierte Junge zeigt ihr seine Malkünste, und die Tante berichtet von ihrem beinahe Tod. Fortan treffen sich die benachbarten Teenager immer wieder. Besonders süß ist die Szene, in der Philip seinen Geheimplatz in der Au zeigt, wo Biene seinen Arm mit Kugelschreiber bemalt. Die tintenblauen Kreise sind ein Schutzzauber, ein Mutsymbol und ein Zeichen ihrer Freundschaft.

 

Irgendwann fällt sein Blick auf die lange Linie, die der Stift quer über seine Handfläche hinterlassen hat, als er mir so abrupt den Arm entzogen hat.

„Ist das auch Elfenschrift?“

„Das heißt: Tenka ist ein Arsch!“, sage ich trocken.

Philip lacht laut auf.

„Ja!“, ruft er. „Das stimmt. Aber cool, dass es sogar ein elfisches Wort dafür gibt!“

Wir lachen beide (126-127).

Dieser Tenka ist ein Klassenkollege der beiden, und er blamiert den Halbiren Philip, den er „Milchbubi“ nennt, wo er nur kann. Philip wehrt sich allerdings nie und spricht nicht mit seinen Eltern darüber, und das kann Biene so gar nicht verstehen. Sie und Shirin stellen sich bei einem dieser Mobbingfälle auf Philips Seite, doch dadurch wird alles noch viel schlimmer, und Tenka rächt sich auf hässliche Weise. Kann Philip Biene trotz dieser Blamage noch in die Augen schauen?

 

Eine rührende, herzerwärmende und sehr empfehlenswerte Geschichte über die erste Liebe, das Leben nach dem Tod und Mobbing in der Schule. Obwohl die im Buch auftauchenden Probleme keine leichte Kost sind, gelingt es Roher, einen witzigen, frohen Roman zu schreiben. Er zeigt den jugendlichen und erwachsenen Lesern, dass die Schicksalsschläge des Lebens mit Zusammenhalt, Liebe und Fürsorge bewältigt werden können. „Mut statt Wut“ könnte Biene ihrem Philip in tintenblauen Schwüngen auf den Arm gemalt haben.

 

Michael Roher. Tintenblaue Kreise. Wien: Luftschacht, 2017.

Wieland Freund: Krakonos

Leselevel: ♦♦♦♦◊
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦◊
Humor: ♦♦♦♦◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦

Zielgruppe: Jugendliche von 10 – 14 Jahren

292 Seiten, gebundene Ausgabe um € 14,95

Themen: Rübezahl, Brüderbeziehung, digitale Welt, Natur

Die Brüder Nik und Levi leben zusammen mit anderen Jugendlichen und Kindern auf dem Campus der IT-Firma Qwip, für die ihre Eltern fast Tag und Nacht arbeiten. Der Alltag wird dominiert von Handys, PCs, Computerspielen, Laptops, autonomen Fahrzeugen und Videoüberwachung. Levi hält nichts von dieser digitalen Blase, sucht die Natur, auch wenn ihn das auf verbotene Wege führt. Sein Bruder ist bemüht, Levi zu decken und zu beschützen, wo er kann. Eines Nachts treffen sie jedoch auf den Naturgeist und Gestaltenwandler Krakonos, den man auch Rübezahl nennt. Er wird von einem erbarmungslosen Sonderkommando gejagt, das ihn töten will. Nur die Mythobiologin Emma, die einst zur Überwachung des Berggeistes abgestellt wurde und nun Teil des Sonderkommandos sein muss, will Krakonos schützen. Eine spannende Jagd beginnt, bei der auch die beiden Jungs ins Visier der Technokraten geraten.

Wieland Freund gelingt es mühelos, eine glaubhafte und fesselnde Geschichte im Spannungsfeld zwischen hochtechnologisierter Gegenwart und sagenhafter Naturwelt anzusiedeln. Zur aufregenden Jagd auf Rübezahl kommt auch noch die interessante Beziehung zwischen Nik und Levi. Letzterer erscheint zu Beginn des Romans autistisch, seltsam technologiefremd und eigenbrötlerisch. Später wird Nik entdecken, dass Levis Interesse an der Natur und Zuneigung zu Tieren durchaus ihre Berechtigung hat und dank Levi in eine neue Denkart und Sichtweise eintauchen. Ein tolles, sehr empfehlenswert Buch, das 2018 mit dem Leipziger Lesekompass und dem Rattenfänger Literaturpreis ausgezeichnet wurde.

Der 1969 geborene Wieland Freund, dessen Vater Germanistikprofessor war, arbeitet als Journalist, Autor von Kinder-und Jugendbüchern und Literaturkritiker in Berlin. Der Vater dreier Kinder ist auch als Übersetzer tätig. Zusammen mit Andrea Wandel hat er Steve Coles _Astrosaurier_-Bücher aus dem Englischen übertragen.

Dieses Buch ist für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 nominiert. Toitoitoi :-)!

Wieland Freund. Krakonos. Weinheim: Beltz & Gelberg Verlag, 2017.

Tomi Adeyemi Children of Blood and Bone: Goldener Zorn

Leselevel: ♦♦♦♦♦
Wissenssteigerung:♦♦♦♦◊
Humor:♦♦♦◊◊
Spannung:♦♦♦♦♦
Gefühl:♦♦♦♦♦
Elternvergnügen:♦♦♦♦♦

ab 14 Jahren

624 Seiten, gebundene Ausgabe um € 18,99

Themen: Fantasy-Abenteuer, Krieg, Liebe, Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Kulturen, Kampf, Magie, Rituale, Freundschaft, Familie, Rassismus, Macht, Gewalt

Im Juni 2018 ist Tomi Adeyemis erster Band ihrer Children of Blood and Bone-Trilogie erschienen, Goldener Zorn. Er ist genial: Ihr müsst ihn lesen!

Das Buch ist entstanden, weil die Autorin Tag für Tag in den Nachrichten sah, wie wehrlose und unschuldige Schwarze in den USA von der Polizei erschossen wurden. Das Schreiben dieses Romans gab ihr das Gefühl, etwas dagegen tun zu können, und ich finde, sie hat ihr Ziel mehr als erfüllt. Denn zusätzlich zur politischen Relevanz ist das Buch auch noch unglaublich spannend, berührend, mitreißend, toll geschrieben und brillant konzipiert. Es hat alles, was ein Lieblingsbuch braucht, und die geniale Geschichte wird auch schon verfilmt (angeblich wurden die Filmrechte um einen siebenstelligen Betrag verkauft). Die 624 Seiten hören sich abschreckend an, sind aber absolut knackig und im Nu gelesen. Im Gegensatz zu anderen dicken Schwarten habe ich bei diesem Koloss keinen einzigen Absatz überflogen, sondern jedes einzelne Wort genossen. Und wie immer bei solch hervorragenden Büchern ist es eine große Freude zu wissen, erst Band eins von drei gelesen zu haben.

Zélie Adebola ist die Heldin dieses Young Adult-Fantasy-Romans. Sie lebt in Orisha, einer Monarchie, in der alle Bewohner mit magischen Fähigkeiten, die sogenannten „Maji“, getötet wurden. Ihre Nachfahren, die „Diviné“, deren Magie nicht erweckt ist, erfahren dort Unterdrückung und Hass. Zélie ist eine von ihnen. Durch Zufall kommen ihr Bruder Tzain und sie mit der Königstochter Amari und einer magischen Schriftrolle zusammen. Ob sie gemeinsam die Magie wieder erwecken können? Amaris Bruder, Prinz Inan, ist ihnen dicht auf den Versen und versucht, das zu verhindern. Ein Kampf auf Leben und Tod beginnt.

Tomi Adeyemi wurde 1993 in den USA geboren. Ihre Eltern sind aus Nigeria in die Staaten eingewandert. Erst als Erwachsene habe sie begriffen, wie cool ihre afrikanische Herkunftskultur sei, und ihr Roman sei ein Liebesbrief an die nigerianische Heimat, so die Autorin.

Hier findet Ihr meine Empfehlung von Tomi Adeyemis zweitem Children of Bood and Bone-Band, der 2020 erschien. In diesem Beitrag findet Ihr auch Informationen zur großartigen Übersetzerin dieser Trilogie, Andrea Fischer.

Tomi Adeyemi. Children of Blood and Bone: Goldener Zorn. Übersetzt von Andrea Fischer. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2018.

Karen McManus: One of us is Lying

Zielgruppe: alle ab 14 Jahren

Themen: Mord, Highschool-Leben, Teenager-Probleme

Leselevel: ♦♦♦♦◊
Wissenssteigerung: ♦♦♦◊◊
Humor: ♦♦◊◊◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦

Fünf Jugendliche finden sich zum Nachsitzen in der Bayview High ein: die schlaue Bronwyn, die schöne Addy, der drogendealende Nate, der sportliche Cooper und Simon, der eine Gossip-App betreibt. Letzterer wird ermordet und alle anderen beteuern ihre Unschuld. Am Folgetag hätte Simon einen Skandalpost absetzen wollen, der die vier Tatverdächtigen arg blamiert hätte. Da stellt sich natürlich die Frage: Wer von ihnen war’s? Während der spannende Kriminalfall geklärt wird, entfaltet sich vor unseren Augen Skandal um Skandal.

Der tolle Debutroman der amerikanischen Autorin Karen McManus ist nicht umsonst ein New York Times Bestseller. Klugerweise wird die ganze Geschichte aus der Ich-Perspektive der vier Tatverdächtigen erzählt. Dadurch ist ganz lange unklar, wie alles abgelaufen ist. Sicher ist nur, dass einer lügt, denn One of us is lying. Die Jugendlichen sind überzeugend beschrieben und je besser man sie kennenlernt, desto mehr gewinnen die anfangs so stereotyp erscheinenden Teenies mit ihren Sorgen (Sexualität, Liebe, Vertrauen, Elternprobleme,…) an Tiefe. Die langsam aufkeimende Freundschaft der vier Beschuldigten ist nur eines der Highlights dieses gelungenen Pageturners. Unbedingte Leseempfehlung für alle Whodunnit-Fans!

Karen McManus hat die Young Adult-Szene im Sturm erobert. Sie ist Alleinerzieherin eines Sohnes; ihr Mann starb, als der Junior noch ein Kleinkind war. McManus arbeitet vollzeit im Marketing und schrieb sozusagen nebenbei noch dieses tolle Buch. Die Hälfte von One of us is lying sei neben dem Baseballfeld ihres Kindes entstanden, erzählt die Schriftstellerin im Writers Digest-Interview vom 08.12.2017. Hier erfährt man auch, dass Ihr Sohn sehr stolz darauf ist, den Namen eines der Romanpolizisten, Hank Budapest, erfunden zu haben. Ihr nächster Thriller ist auch schon im Entstehen: Two Can Keep a Secret dreht sich um Geheimnisse und Lügen in einer kleinen Stadt und wird 2019 erscheinen. Ich freu mich schon darauf!

Karen McManus. One of us is Lying. München: cbj, 2018. Übersetzt von Anja Galic.

Joyce Carol Oates: Sexy

Joyce Carol Oates Sexy Buchtipp Jugendbuchblog Brigitte Wallinger Buchempfehlung LGBT Feuer und Flamme Buchblog 80 Geburtstag

Zielgruppe: alle ab 12 Jahren

240 Seiten, TB um €8,95; gibt’s auch als Reclam Fremdsprachentext um €6,60

Themen: Homophobie, Mitläufertum, Mut, Feigheit, Pubertät, Sportlerclique, Schwimmtraining, Kameradschaft, LGBT-Bashing

Leselevel: ♦♦♦♦◊
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦♦
Humor: ◊◊◊◊◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦

Der sechzehnjährige Darren Flynn wird angehimmelt von den Ladies, ist erfolgreich im Schwimmverein, schreibt gute Noten. Es läuft. Er ist allerdings nicht von seinem eigenen Ruhm überzeugt und hat nur wenig Selbstbewusstsein. Als ihm sein Englischlehrer Mr. Tracey bei Schneetreiben eine Mitfahrgelegenheit anbietet, lässt er sich nach Hause fahren. Er hat das Gefühl, bei dieser Autofahrt vom Englischlehrer angemacht worden zu sein und ist verwirrt (sein Vater, der Darren für „weibisch“ hält, hatte ihn eindringlich vor homosexuellen Übergriffen gewarnt). Als Mr. Tracey dem Besten des Schwimmteams eine schlechte Note gibt, muss dieser wegen seiner zu schwachen schulischen Leistung aus dem Team ausscheiden. Die Sportlerclique will sich an Mr. T. rächen und zettelt eine homophobe Hexenjagd an. Der Englischlehrer ersucht Darren, für ihn vor der Polizei auszusagen – ob er Manns genug dazu ist?

In Amerika sind Anschuldigungen von SchülerInnen, besonders jenen aus reichem Hause, deren Eltern die Schulen ihrer Kinder sponsern, leider an der Tagesordnung. Hierzulande bekommen LehrerInnen Probleme, wenn sie alkoholkrank sind oder Kinder schlagen, aber in den USA reicht oft nur der Verdacht, eine Lehrkraft könnte schwul oder lesbisch sein, und schon wird sie gekündigt. Joyce Carol Oates, die seit Jahren als Literaturnobelpreiskandidatin gehandelt wird und übrigens für ihre rege Twitter-Tätigkeit bekannt ist, nimmt sich auf unnachahmlich geniale Weise dem LGBT-Bashing in _Sexy_ an. Ohne Zeigefinger, mit viel Einfühlungsvermögen, auch gegenüber allen Darrens dieser Welt, denen sie den Roman widmet.

Heute wird Joyce Carol Oates 80 Jahre alt. Alles Gute dieser tollen Schriftstellerin!

Joyce Carol Oates. Sexy. München: Carl Hanser Verlag, 2006. Übersetzt von Birgitt Kollmann.

Stefanie Höfler: Mein Sommer mit Mucks

Stefanie Hoefler Mein Sommer mit Mucks Buchtipp Empefhlung Jugendbuch Kinderbuch Kinderbuchblog Brigitte Wallinger Feuer und Flamme fuer junge Literatur
Zielgruppe: alle ab 11
Leselevel: 4 von 5 Schwierigkeitsstufen
Wissenssteigerung: 5 von 5 Wissensstufen
Humor: 4 von 5 Punkten
Spannung: 5 von 5 Punkten
Gefühl: 5 von 5 Punkten
Elternvergnügen: 5 von 5 Punkten

140 Seiten, TB um € 5,95

Themen: Freundschaft, Anderssein, Gewalt in der Familie

Vorab schon mal: Stefanie Höflers Debütroman ist ein wirklich geniales Jugendbuch! Das Taschenbuch kostet nicht einmal 6 €: Was für ein tolles Präsent für Teenies, die man ab einem gewissen Alter sonst nur mehr mit Gutscheinen beschenkt… Ein einzigartig gutes Buch: muss gelesen und ins Herz geschlossen werden!

Zonja ist ein wissbegieriges Mädchen, das schwierige Wörter, Statistiken und Kurioses liebt und Fragen sammelt, auf die sie Antworten finden will (z.B.: „Was ist die durchschnittliche Temperatur im Dezember in Weißrussland?“, 9). Das macht sie in ihrer Klasse natürlich zur Außenseiterin, doch sie hält sich an das, was ihre Mutter ihr einmal geraten hat: „Wenn du etwas sagen oder tun willst, dann mach das auch. Egal ob jemand anderes dich und deine Fragen blöd findet. Mach das, was dir richtig vorkommt. Und lass dich nicht davon abbringen“ (83). Schlaue Mutter, schlaues Kind! Jedenfalls lernt die Einzelgängerin an einem Sommertag im Schwimmbad Mucks (aka „die Birke“) kennen, und eine wunderbare Freundschaft keimt auf: „Und dann fragt er mich tatsächlich, ob ich mit ihm Scrabble spielen will. Das Spielbrett ist schon aufgebaut und er hat einige Wörter gelegt. Poesie, Gartentor und Kokosnus kann ich lesen, bevor er das Brett mit der Handkante leerfegt. Kokosnus. Mit einem S. Die Birke geht also ins Freibad, um gegen sich selbst Scrabble zu spielen. Und ich dachte, es gäbe keinen Zwölfjährigen, der so komische Hobbys hat wie ich. Na ja, vermutlich ist er dreizehn. Und ich bin überzeugt, dass ich beim Scrabble gewinnen werde. Hämoglobin kennt er auf keinen Fall.“ (Seite 22-23).
Als Zonja in Mucks Tasche zufällig einen Pfefferspray entdeckt und ihr die blauen Flecke auf seinem Körper auffallen, findet sie langsam heraus, welches Geheimnis sein Leben überschattet. Ein spannendes, tiefsinniges, feines Buch für Jugendliche ab 11 Jahren und erwachsene LiebhaberInnen guter Romane.

Völlig verdient wurde Mein Sommer mit Mucks 2016 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und gewann einen Leipziger Lesekompass. Die Autorin, Stefanie Höfler, wurde 2015 mit dem Nachwuchspreis für deutschsprachige Kinder-und Jugendbuchautoren ausgezeichnet.

Stefanie Höfler. Mein Sommer mit Mucks. Mit Vignetten von Franziska Walther. Weinheim: Beltz & Gelberg, 2015.

John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter

Buchdeckel von John Green Das Schicksal ist ein mieser VerräterLeselevel: ♦♦♦♦♦
Wissenssteigerung: ♦♦♦♦◊
Humor: ♦♦♦♦◊
Spannung: ♦♦♦♦♦
Gefühl: ♦♦♦♦♦
Elternvergnügen: ♦♦♦♦♦

336 Seiten, Taschenbuch, € 9,95

Zielgruppe: für Jugendliche ab 13 Jahren

Themen: Liebe, Krankheit, Tod

Diese wundervolle, berührende Liebesgeschichte für Jugendliche und Erwachsene zeigt eine Welt aus Intensivstationen, aufgeschwemmten Magerkörpern und Todesangst. Das hört sich wenig einladend an, aber ihr begrenzter Zeitrahmen macht diese Liebe umso schöner. Und das Ende ist dennoch keinesfalls vorhersehbar. Lasst Euch einfach auf diese Gefühlsachterbahn ein!

Die 16-jährige Romanheldin Hazel Grace lernt Augustus in einer Selbsthilfegruppe für krebskranke Jugendliche kennen. Sie verlieben sich Hals über Kopf und bald wird klar: die zeitliche Begrenzung dieser Liebe ist so definitiv wie das traurige Ende eines Romeo und Julia-Theaterbesuchs. Allerdings entfaltet sich der Zauber dieser innigen Beziehung direkt vor unseren Augen. Und auch wenn die beiden Hauptfiguren keine Zukunft à la Zusammenziehen-Hochzeit-Kind erwartet, so leben sie doch glücklich bis an ihr Lebensende.

Der Krebs spielt natürlich eine wichtige Rolle, bekommt Hazel doch nur schwer Luft, und Augustus muss sich mit seinen 1,5 Beinen auch einigen Herausforderungen stellen. Trotzdem ist die Erzählung frei von Mitleid und Gefühlsduselei. Und die eigenen Erwartungen, Vorurteile und Stereotype gegenüber Krebspatienten und Todkranken werden gehörig über den Haufen geworfen. Ich war zum Beispiel ganz überrascht, dass es Hazel vor Augustus Amputationsstumpf ekelte: „Ich wollte nicht, dass es mir etwas ausmachte, aber das tat es trotzdem. Meine Sauerstoffschläuche machten ihm wahrscheinlich auch was aus. Krankheit ist abstoßend“ (44).

Man würde es einem Buch über ein krebskrankes junges Paar nicht zutrauen, aber es ist wahnsinnig witzig geschrieben. Als Hazel etwa mit Augustus Mutter auf der Couch sitz, sticht ihr die Zeichnung eines Engels mit dem Spruch „Ohne Leid würden wir nicht wissen, was Freude ist“ ins Auge: „Ein altes Argument aus dem Feld Gedanken über das Leiden, dessen Dummheit und Stumpfsinn Stoff für hundert Jahre Lästern bot, aber möge hier die Feststellung reichen, dass die Existenz von Brokkoli auch keinerlei Einfluss auf den Geschmack von Schokolade hat. ‚Ja‘, sagte ich, ‚ein schöner Gedanke.‘“ (43).

Ich habe natürlich Rotz und Wasser geweint, weil mich das Schicksal der beiden Teenager so gebeutelt hat. Aber im Buch geht es nicht nur um die Liebe zweier schlagfertiger Jugendlicher, sondern auch um Hazels Liebe zum einzigen Buch des Autors Peter Van Houten. Ihr Lieblingsbuch handelt von einem krebskranken Mädchen und ist aus deren Sicht geschrieben. Es hört am Ende einfach auf, ohne dass der Erzählstrang beendet wird (das Mädchen ist verstorben). Hazel will nun unbedingt wissen, was aus den restlichen Romanfiguren geworden ist (es beschäftigt sie sehr, was aus ihrer Familie und ihrem Freund nach ihrem Ableben wird). Augustus ermutigt sie, zum Autor zu fahren und es heraus zu finden – er lebt allerdings auf einem anderen Kontinent. Ob Augustus und Hazel es lebend zu ihm schaffen?

PS: Dieser Bestseller, der 2013 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, ist auch verfilmt worden. Der Autor und Videoblogger John Green war bei den gesamten Dreharbeiten dabei, was ja so gut wie nie vorkommt. Der 2014 veröffentlichte Film ist also Autoren-genehmigt 🙂 und wird ebenfalls empfohlen.

PPS: Hier habe ich ein Buch von John Greens Bruder Hank empfohlen.

John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter. München: dtv, 2014. Übersetzt von Sophie Zeitz.